Neben der Konjunktur- und Inflationsentwicklung gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die in diesem Jahr die Kapitalmärkte beeinflussen könnten. Wir werfen im aktuellen Kapitalmarktnavigator einen Blick auf die derzeitigen und potenziellen Krisenherde. Zudem ist in diesem Jahr über die Hälfte der Weltbevölkerung dazu aufgerufen, bei Wahlen ihre Stimme abzugeben. Dabei sticht die US-Präsidentschaftswahl im November heraus.

Russland-Ukraine-Krieg

Quasi vor unserer Haustür findet seit mittlerweile zwei Jahren der Russland-Ukraine-Krieg statt. An den Kapitalmärkten hat längst ein Gewöhnungseffekt eingesetzt. Verschiebungen des Frontverlaufs, die es derzeit den Medienberichten zufolge kaum gibt, haben keine Auswirkungen auf die Märkte. Allerdings lohnt der Blick nach vorne. Denn sowohl in Europa als auch in den USA wird über die weitere finanzielle Unterstützung der Ukraine heftig gestritten. Sollte der Ukraine weniger Hilfe zufließen und Russland dadurch die Oberhand gewinnen, könnte dies - wie zu Beginn des Krieges - wieder zu mehr Unruhe an den Märkten führen. Auf der anderen Seite dürften potenzielle Friedensverhandlungen, die in einem Einfrieren des Status quo münden könnten, weitgehend eingepreist sein.

Nahost-Konflikt

Anfang Oktober hat die palästinensische Terrororganisation Hamas Israel überfallen. Seitdem übt Israel Vergeltung und versucht, die Hamas im Gaza-Streifen zu vernichten. Bislang ist der Konflikt lokal begrenzt geblieben. Es besteht aber die Gefahr, dass er sich auf die Region ausweitet, vor allem, falls es zu einer direkten Konfrontation zwischen Israel und dem Iran kommt. Denn der Iran gilt als Unterstützer der Hamas und anderer Terrororganisationen wie der Hisbollah im Libanon oder den Huthi-Rebellen im Jemen. Sollte sich der Konflikt ausweiten, würde dies wahrscheinlich zu einer höheren Risikoaversion der Marktteilnehmer:innen führen. Auch dürfte in diesem Fall der Ölpreis merklich steigen. Aus Solidarität mit der Hamas greifen die Huthi-Rebellen seit einiger Zeit Schiffe im Roten Meer an und behindern so massiv den Warenverkehr zwischen Asien und Europa. Das Rote Meer ist von asiatischer Seite der Zugang zum Suezkanal und eine der wichtigsten Schifffahrtsstraßen der Welt. Durch ihn fließen rund 11 % des globalen Seehandels. Aufgrund der Bedrohung ihrer Schiffe meiden mittlerweile viele Reedereien den Weg durch das Rote Meer. Die Schiffe nehmen stattdessen den Umweg um das Kap der Guten Hoffnung, wodurch sich der Seeweg von Asien nach Europa um rund 10 Tage verlängert. Dies erhöht die Transportkosten, die sich für diese Route bereits verdreifacht haben. Die Versicherungsprämien für Schiffe, die nach wie vor durch das Rote Meer fahren, haben sich Berichten zufolge verzehnfacht. Auch steigt der Druck in den Lieferketten. Erste Unternehmen haben ihre Produktion heruntergefahren, da Teile und Hilfsmittel aus Asien nicht oder nur verspätet ankommen. Sollte die Bedrohung im Roten Meer länger anhalten, könnten sich die gestiegenen Frachtkosten auch auf die Verbraucherpreise auswirken und den weiteren Rückgang der Inflation bremsen.

Grafik: Container-Frachtraten nach Huthi-Angriffen deutlich gestiegen — Quelle: FactSet; Stand 8. Februar 2024

China-Taiwan

Ein möglicher weiterer Konflikt schwelt in Ost-Asien, nämlich zwischen China und Taiwan. Chinas Präsident Xi Jinping hat in seiner Neujahrsansprache verkündet, dass eine Wiedervereinigung unausweichlich sei und diese noch während seiner Herrschaft erfolgen soll. Bislang ist es beim verbalen Säbelrasseln geblieben. Die Wahlen in Taiwan Mitte Jänner haben die Situation nicht verändert. Aus diesen ist keine der großen Parteien als klarer Gewinner hervorgegangen. Die Partei, die für die Unabhängigkeit Taiwans eintritt, stellt zwar weiter den Präsidenten, hat jedoch die Mehrheit im Parlament verloren. Das Ergebnis kann als Willen der Wähler:innen gewertet werden, den Status quo beizubehalten. Die USA unterstützen Taiwan politisch und militärisch. Im Falle einer möglichen Eskalation würden sich China und die USA mehr oder weniger direkt gegenüberstehen, was beide Seiten derzeit vermeiden wollen. Ein Konflikt hätte massive negative ökonomische Folgen, nicht nur für China und die USA. Wahrscheinlich würden gegenseitige Wirtschaftssanktionen mit unmittelbaren Auswirkungen vor allem auf den Technologiesektor verhängt werden. Die Kapitalmärkte dürften zunächst deutlich unter Druck geraten. Sichere Häfen wie Gold, Cash und der Schweizer Franken wären wohl stark nachgefragt.

Weitere potenzielle Konfliktherde

Bislang weitgehend unter dem Radar geblieben sind (schwelende) Konflikte in anderen Regionen der Welt. So droht zum Beispiel Venezuela mit einer Invasion des Nachbarlandes Guyana. Im Kaukasus stehen sich Aserbaidschan und Armenien im Konflikt um die Region Bergkarabach gegenüber, auch wenn es dort zuletzt ruhiger geworden ist. Eine Eskalation könnte in beiden Fällen zu westlichen Sanktionen oder Interventionen führen und hätte wohl vor allem Auswirkungen auf die Energiepreise. Ein potenzieller Atomwaffentest Nordkoreas würde die Spannungen auf der koreanischen Halbinsel weiter erhöhen – und vorübergehend zu Unruhe an den Märkten führen.

Eine Flut an Wahlen

Neben den aktuellen und potenziellen militärischen Konflikten gibt es dieses Jahr ungewöhnlich viele politische Risiken. Denn rund um den Globus werden zahlreiche Wahlen abgehalten. Im Folgenden schauen wir uns eine Auswahl an.

Bislang die meiste mediale Aufmerksamkeit hat die US-Präsidentschaftswahl erhalten, die am 5. November stattfindet. Diese Wahl, deren Vorwahlen Mitte Jänner begonnen haben, polarisiert die Amerikaner:innen und schürt Sorgen in weiten Teilen der Welt. Sollte einer der Kandidaten das Wahlergebnis nicht anerkennen, könnte dies zu sozialen und politischen Unruhen in den USA führen, die sich negativ auf die Märkte und die Wirtschaft auswirken würden. Heiß diskutiert wird, was sich ändern könnte, sollte Ex-Präsident Donald Trump wieder ins Weiße Haus einziehen. Trump gab unlängst bekannt, Zölle von mindestens 60 % auf alle chinesischen Importe auszuloten, was eine deutliche Ausweitung des Handelsstreits von 2018/19 bedeuten würde. Ebenso könnte es mehr Restriktionen und strengere Export- und Investitionskontrollen geben. Die chinesische Regierung würde wohl mit Vergeltungsmaßnahmen reagieren, was die Globalisierung weiter zurückdrängen dürfte. Es besteht das Risiko, dass daraus eine Negativspirale entsteht und die gegenseitigen Restriktionen eskalieren. Daneben scheint Trump auch die EU ins Visier zu nehmen: Medienberichten zufolge arbeitet er an Zöllen auf EU-Importe von 10 % und an Maßnahmen gegen die EU-Digitalsteuer, von der auch US-Unternehmen betroffen sind. Allgemein wird befürchtet, dass eine zweite Amtszeit Trumps schwerwiegende Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum, die Inflation und die Lieferketten hat sowie zu höheren Kosten für Unternehmen und Konsument:innen führt.

Grafik: Spanne der Umfragewerte der wahrscheinlichen US-Präsidentschaftskandidaten — Quelle: The Economist, eigene Darstellung; Stand 14. Februar 2024

Zuvor, nämlich über mehrere Wochen im April und Mai, wird in Indien das Parlament neu gewählt. Umfragen zufolge dürfte die Partei von Premierminister Narendra Modi ihre komfortable Mehrheit behalten. Daher dürfte sich an der reformistischen Wirtschaftspolitik Modis, die bislang mit hohen BIP-Wachstumsraten einherging, nichts ändern. Der Ausgang der Wahlen sollte die Kapitalmärkte kaum bewegen. Ebenso neutrale oder sogar positive Auswirkungen dürften die Parlamentswahlen in Großbritannien haben, die wahrscheinlich im Herbst stattfinden (das britische Unterhaus muss bis spätestens Jänner 2025 neu gewählt werden). Nach jüngsten Umfragen liegt die Labour-Partei deutlich vor den Konservativen und Politikbeobachter:innen halten es für unwahrscheinlich, dass dieser Rückstand aufgeholt werden kann. Der sich anbahnende Regierungswechsel wäre positiv für die Märkte, denn die Labour-Partei möchte das Wirtschaftswachstum in Großbritannien ankurbeln und wieder engere Beziehungen zur EU eingehen.

Dem gegenüber stehen Parlamentswahlen in Südafrika, die für Unruhe und Chaos im Land sorgen könnten. Sie finden zwischen Mai und August statt (der genaue Termin wird noch bekannt gegeben). Denn der Regierungspartei ANC droht der Verlust ihrer Mehrheit. Im Iran wird bereits Anfang März das Parlament neu gewählt. Die Wahlen könnten die Hardliner in der Regierung stärken und zu vermehrten Spannungen in der Region führen. In Russland (Mitte März) und in Venezuela (im zweiten Halbjahr) finden Schein-Wahlen statt. Keine dieser Wahlen ist frei und das Ergebnis steht bereits fest – die Amtsinhaber Putin und Maduro werden „bestätigt“. Die Auswirkungen der Wahlen in den hier genannten Ländern dürften im Wesentlichen regional begrenzt bleiben und die globalen Kapitalmärkte kaum tangieren.

Für Europa von Bedeutung ist die Wahl zum EU-Parlament Anfang Juni. Das EU-Parlament hat maßgeblichen Einfluss auf die europäische Gesetzgebung, besitzt aber kein Initiativrecht. Auch in der nächsten Legislaturperiode dürften die moderaten Kräfte die Mehrheit stellen. Allerdings könnten die „rechten“ Parteien eine weitere Stärkung erfahren, da die Migrationspolitik eine der größten Sorgen der Wähler:innen ist. Dies könnte die Formierung einer funktionsfähigen Koalition erschweren. Je nachdem welche politische Richtung die Mehrheit erhält, könnte die zukünftige EU-Gesetzgebung marktfreundlicher ausfallen. Allerdings könnten auch die Bemühungen zum Erreichen der CO2-Neutralität zurückgeschraubt werden. Streiks und Proteste, wie in den letzten Monaten in verschiedenen EU-Ländern, könnten im Vorfeld der Wahlen die Wirtschaft wie auch die Märkte belasten.

Fazit

In der Vergangenheit haben die Kapitalmärkte geopolitische Risiken oftmals ignoriert oder sich nur kurz davon beeindrucken lassen. Einige Umfragen zeigen aber, dass viele Investor:innen die Geopolitik als das größte Risiko für die Weltwirtschaft in diesem Jahr erachten. Zahlreiche Risikoherde gibt es jedenfalls, wie oben beschrieben. Ob sich die Kapitalmärkte heuer positiv entwickeln, dürfte aber eher von der zukünftigen Geldpolitik der Zentralbanken und damit verbunden des Inflations- und Konjunkturverlaufs abhängen.

Wichtige Hinweise

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Marketingmitteilung
Stand 15.02.2024

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